WELLENBRECHERIN IN UNIFORM

Diana_Wade

Diana Wade by Fotostudio Sachsse Bonn

Steckbrief
Name: Diana Wade (39)
Funktion: Referentin im Verteidigungsministerium
Dienstgrad: Oberstleutnant i. G. (im Generalstabsdienst)
Arbeitgeber: Bundeswehr
Verein: WMs Köln/Bonn
Familie: Verheiratet, zwei Kinder (4 und 9)

Diana Wade war eine der ersten Soldatinnen, als alle Bundeswehrbereiche für Frauen geöffnet wurden. Seitdem geht sie ihren Weg unbeirrt – auch wenn die Armee noch nicht überall ein Hort der Frauenfreunde ist. Energie und Unterstützung bekommt sie dafür bei den Working Moms – und fungiert zugleich als Role Model in den eigenen Reihen.

 

Es ist das erste Mal, dass sie sich in den vergangenen zwanzig Jahren morgens Gedanken über ihre Garderobe macht – sieht man mal von den Zeiten ihrer Schwangerschaften ab. Diana Wade ist Oberstleutnant im Generalstabsdienst. Selbst an ihrem derzeitigen Einsatzort, dem Bundesministerium für Verteidigung in Bonn, trägt sie Uniform. Erst in der aktuellen Corona-Pandemie, in der auch sie zu große Teilen im Homeoffice arbeitet, fällt der Dresscode weg. „Es ist eine schöne Abwechslung und die Möglichkeit, auch mal Kleider zu tragen“, sagt sie schmunzelnd.

Dabei hat die Berufssoldatin durchaus ein Faible für Uniformen. Als sie sich nach dem Abitur um eine Ausbildung bewarb, wollte sie zum Bundeskriminalamt. Die Stelle hatte sie schon fast in der Tasche. Doch dann erging das Urteil des Europäischen Gerichtshofes, nach dem alle militärischen Laufbahnen und Bereiche uneingeschränkt für Frauen geöffnet werden mussten. Das war im Jahr 2000 – und Diana Wades Ehrgeiz war geweckt: „Was Frauen so lange verwehrt gewesen war, wollte ich realisieren“, erinnert sie sich. Sie bewarb sich, bestand alle Prüfungen und Tests und kam im Jahr 2001 als eine der ersten Frauen zum Heer. Eine Wellenbrecherin nennt sie sich deshalb – auch, weil sie noch heute oft gegen den Strom unterwegs ist.

Zum Berufsstart erlebte sie mit voller Wucht die damalige Realität: Wenn von männerdominierten Branchen die Rede ist, geht es meist um Bereiche, in denen männliche Berufstätige in der Mehrheit sind, Frauen allerdings an unterschiedlichen Stellen ihren Platz haben. In Wades Umfeld war das anders: 1000 Männer, eine Frau – ein solches Szenario war keine Seltenheit. Zusätzlich hatten sich nicht alle männlichen Kollegen darüber gefreut, dass sie weibliche Verstärkung bekamen.

Selbst heute ist es für die Mutter zweier Kinder noch eine Besonderheit, wenn eine weitere Frau zu ihrem Team gehört; so wie aktuell im Bundesverteidigungsministerium, wo sie an einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zum Bekleidungsmanagement der Bundeswehr zusammen mit fünf Kollegen und einer „Zivilistin“ – wie sie die Juristin nennt, arbeitet. Dabei ist der Frauenanteil unter den Soldaten der Bundeswehr von zwei Prozent im Jahr 2001 auf aktuell rund 13 Prozent gestiegen. Ohne den Sanitätsdienst lag die Frauenquote laut Wehrbericht 2019 bei 8,6 Prozent. Das Gleichstellungsgesetz fordert allerdings mindestens 15 Prozent.

Wade gibt unumwunden zu, dass die männliche Dominanz sie immer mal wieder an ihre Grenzen bringt. Unterkriegen lässt sie sich davon allerdings nicht: „Jeder, der mich unterschätzt, spornt meinen Ehrgeiz an“, sagt sie. Und arbeitet fortwährend an ihrer Karriere: Ihr Wirtschaftspädagogik-Studium an der Bundeswehr-Universität in München schließt sie mit Bestnote ab. Als erster weiblicher Kompaniechef befehligt sie mehr als 100 Kameraden. Nach ihrer Ernennung zur Berufssoldatin durchläuft sie bald darauf eine weitere Bestenauslese und empfiehlt sich für einen zweijährigen Lehrgang an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Dass es an einer Stelle dieser Fortbildung tatsächlich interne Diskussionen darüber gab, ob sie hochschwanger dem fast ausschließlich männlichen Zirkel beiwohnen könne, zeigt, wie anstrengend eine solche Pionierrolle sein kann.

„Ich hatte damals keinerlei weibliche Vorbilder in der Bundeswehr. Immerhin hat es mir geholfen, dass ich starke Mentoren an meiner Seite wusste“, sagt sie. Damit meint sie Vorgesetzte, die sie bestärkten, ohne dass dies allerdings offiziell gewesen wäre. Dass ihr Mann, der ehemaliger Soldat ist, in die Wirtschaft gewechselt ist, hilft zusätzlich. „Und ich war heilfroh, dass ich 2016 die Working Moms für mich entdeckte“, fügt sie hinzu. Weil sie im Netzwerk Gleichgesinnte fand, die sich in anderen Bereichen gegen alte Rollenbilder behaupten müssen. Und die ihr zeigten, dass es vollkommen normal ist, Karriere zu machen und eine Familie zu haben. Auch deshalb engagiert sie sich mit Elan für den Verein und vertritt das Köln-Bonner Netzwerk beispielsweise im Bundesverband der Working Moms. Im Dienst sieht sie sich als Role Model für jüngere Kolleginnen und bestärkt sie, wann immer sich die Gelegenheit ergibt.

„Diana entspricht nicht den vermeintlichen Stereotypen einer Soldatin“, sagt Sandra Beichel, Vorstandsmitglied der Working Moms in Köln-Bonn gehört. Dianas Stärke sei es, alle Mitglieder in die Vorgänge auf Verbandsebene einzubinden und zu vertreten, ohne ihre persönliche Meinung in den Vordergrund zu stellen. Trotz der bei der Armee vorherrschenden Befehl- und Gehorsamsstruktur habe sie verinnerlicht, dass „Entscheidungen, die verstanden und mitgetragen werden, nachhaltiger umgesetzt werden.“ Die Soldatin selbst sieht in ihrem empathischen Führungsstil so auch einen Pluspunkt, der sie von manchen Kollegen unterscheidet: „In meinem Beruf ist es immens wichtig, dass Soldaten mir vertrauen. Das gelingt leichter, wenn sie meine Entscheidungen verstehen“, sagt sie. „In Gefechtssituationen müssen sie bereit sein, mir ohne Diskussion zu folgen.“ Tatsächlich hat die Wirtschaftspädagogin noch keine solche Situation erlebt, weist aber darauf hin, dass dies jederzeit möglich sei: „Seit die Bundeswehr im Ausland im Einsatz ist, gehört der Gefechtseinsatz für uns an verschiedenen Orten der Welt zur Realität.“

Wenn ihre Kinder – die aktuell in die Kita und 4. Klasse einer Ganztagsgrundschule gehen – größer sind, kann Diana Wade sich auch eine Verwendung im Ausland gut vorstellen. Bis dahin hat sie weiter einen klaren Karrierepfad vor Augen, den sie unbehelligt gehen will. Der nächste Schritt ist der eines Bataillonskommandeurs, einhergehend mit der Verantwortung für etwa 1.000 Soldaten. In zehn bis 15 Jahren könnte sie es schaffen, einer der ersten weiblichen Generäle außerhalb des Sanitätsdienstes zu werden. Und damit goldene Rangabzeichen zu bekommen – womit sich einmal mehr die Wellenbrecherin mit der Uniform-Liebhaberin treffen würde.

Stefanie Bilen, Co-Gründerin der Working Moms Hamburg – im Februar 2021