MUTTER, TOCHTER, SOHN

TanjaSchmalz

Steckbrief
Name: Tanja Schmalz (41)
Funktion: Partnerin, Übernahme- und Fusionsberaterin
Firma: Transfer Partners Unternehmensgruppe
Verein: WMs Düsseldorf
Familie: Getrennt lebend, Tochter (9), Sohn (6)

Tanja Schmalz ist Partnerin einer auf den Mittelstand spezialisierten M&A-Beratung – und seit fünf Jahren alleinerziehend. Bei den Working Moms startet sie nun eine Initiative für Single Moms. Damit mehr Role Models für Getrenntlebende sichtbar werden – und das Familienbild in der Öffentlichkeit um eine weitere Facette ergänzt wird.

Sie wirkt ein wenig abgespannt, als sie von den Ereignissen der vergangenen Tage spricht: Ihr Sohn wurde positiv getestet, nun müssen ihre Tochter in Quarantäne und die jüngst aufgenommenen Ukrainerinnen anderweitig untergebracht werden. Doch müde, nein, so richtig müde sei sie nicht. Zumindest nicht mehr als sonst: „Ich bin seit neun Jahren müde“, sagt Tanja Schmalz augenzwinkernd und lacht.

Vor neun Jahren ist ihre Tochter zur Welt gekommen, drei Jahre später ihr Sohn. Ein Jahr danach hat sie sich vom Vater der Kinder getrennt. Seitdem leben Mutter und Kinder allein. Der Papa lebt in Süddeutschland und hat eine Wohnung in Düsseldorf, um gelegentlich vorbeizukommen. Regelmäßige Telefonate inklusive. Den Alltag stemmt Tanja Schmalz mithilfe eines Kindergartens, einer Ganztagsschule und eines großen Netzwerks an Unterstützer:innen.

„Ich habe gelernt, neben einem Plan A immer auch einen Plan B zu haben“, sagt sie. Wenn sie morgens vor den Kindern aus dem Haus muss, weil etwa eine Geschäftsreise ansteht, fragt sie nicht nur ihre Mutter, ob sie die Kinder fertig machen kann, sondern stets auch eine Freundin oder jemanden aus dem Working Moms-Netzwerk, die einspringen kann, falls Plan A scheitert. Darüber hinaus funktioniert ihr Modell gut, weil sie sich ihre Arbeitszeiten sowie den Arbeitsort als Partnerin einer auf den Mittelstand spezialisierten M & A-Beratung (Mergers & Acquisitions) weitestgehend frei einteilen kann. Die Wirtschaftsjuristin war bereits seit sieben Jahren im Unternehmen, als ihre Tochter zur Welt kam. Vor knapp 2Jahren wurde sie zur Partnerin befördert. „Es war sicherlich gut, dass ich mir bereits meine Sporen verdient hatte, als ich Mutter wurde“, sagt sie. Heißt das auch, dass sie heute keine Nachtschichten oder Wochenenddienste übernehmen muss? „Nein, das heißt es nicht. Ich bin 24/7 erreichbar.“ Es sei sehr geläufig in ihrem Job, dass sie am Wochenende Mails bearbeitet oder Schriftsätze liest. „Wir beraten mittelständische Unternehmen in Nachfolgefragen. Das ist in der Regel hochvertraulich, weswegen wir auch mal am Wochenende – wenn die Mitarbeitenden frei haben – Termine für Betriebsbesichtigungen machen.“ Unabhängig davon sei die Reisetätigkeit in den vergangenen zwei Jahren deutlich weniger geworden, was die Vereinbarkeit ihres Jobs mit ihrem Privatleben erleichtere.

Renate Prinz, Vorsitzende der Working Moms in Düsseldorf, ist beeindruckt davon, wie Tanja Schmalz ihr Leben meistert: „Ich wäre in einem solchen Job von einer privaten Trennung völlig aus der Bahn geworfen worden. Als Juristin kenne ich es auch, dass ich ständig erreichbar sein muss. Ohne meinen Mann würde ein solches Arbeits- und Lebensmodell nicht funktionieren.“

Immerhin hat Tanja Schmalz das Privileg, nachmittags das Büro verlassen zu können, um ihre Kinder abzuholen und zum Sport oder anderen Nachmittagsaktivitäten zu fahren, bevor sie sich zu Hause wieder an den Schreibtisch setzt. „Mein Alltag ist anstrengend, daran gibt es nichts zu beschönigen.“ Wenn sie liierte Working Moms von den Diskussionen mit deren Partnern über Care Arbeit sprechen hört, fühlt sie sich nicht abgeholt. „In meinem Fall liegt die komplette Verantwortung für meine Kinder bei mir. Das ist aber nichts Schlimmes, ich kann und möchte da jedem Mut machen.“ Sie wolle ihr Schicksal nicht beklagen, sondern viel mehr an die Politik appellieren, dass es Nachholbedarf gibt: „Meine Familienform ist kein Einzelfall, rund jede dritte Ehe wird geschieden. Warum gibt es noch immer das Ehegattensplitting, das auch kinderlose Paare begünstigt, allerdings keine Steuererleichterung für Alleinerziehende?“

Ohnehin findet sie, dass Single Moms – oder Dads – viel zu wenig Sichtbarkeit bekommen in der Öffentlichkeit. Um das zu ändern, startet sie nun innerhalb des Working Moms-Verbands eine Initiative, um Alleinerziehende und getrenntlebende Mütter untereinander zu vernetzen und zu empowern. „Dieser Schritt ist ein wichtiges Signal“, meint Sabine Krampen-Lietzke. Die Notarin ist ebenfalls Single Mom und seit einigen Jahren Mitglied des Netzwerks. „Die Working Moms wirken, als gäbe es nur Familien, die aus Vater, Mutter, Kindern bestehen. Doch das repräsentiert nicht die Realität. Ich fände es gut, wenn wir uns öffnen, um als Netzwerk diverser zu werden und die Lebenswirklichkeit von allen karriereorientierten Müttern widerzuspiegeln.“

Tanja Schmalz will den Austausch mit alleinerziehenden Working Moms suchen. Im nächsten Schritt kann sie sich vorstellen, Hilfestellung für betroffene Mitglieder zu organisieren. Um dann auch das Signal an Politik und Gesellschaft zu senden: „Es braucht durchweg qualifizierte und verlässliche Kinderbetreuung, damit Alleinerziehende ihren Beruf ausüben und ihren Lebensunterhalt verdienen können“, sagt die Wirtschaftsjuristin. Darüber hinaus müsse es aufhören, dass Frauen wie sie sich für ihr Familienmodell rechtfertigen müssen: „Ich hatte mir nicht vorgenommen, mich zu trennen. Doch es ist passiert. Jetzt ist es mein Anliegen, den Vater meiner Kinder möglichst regelmäßig und harmonisch in unseren Alltag einzubeziehen, damit meine Kinder nicht die Leidtragenden unserer Trennung sind. Auch deshalb ist es wichtig, dass ich einen Job habe, der mich erfüllt und uns ernährt.“

Stefanie Bilen, im April 2022