AUS DEM KULTUR- INS KAMPAGNENGESCHÄFT

Jantje Röller (l.) mit Netzwerkkollegin Clara Gruitrooy

Jantje Röller (l.) mit Netzwerkkollegin Clara Gruitrooy, Foto: Martin Deeley

Steckbrief
Name: Dr. Jantje Röller (51)
Funktion: Agenturinhaberin, Hochschuldozentin, Kampagnenleiterin Equal Pay Day
Arbeitgeber: selbstständig
Verein: WMs Berlin
Familie: Verheiratet, zwei Kinder (13 und 23)

Jantje Röller ist in der Welt der schönen Künste zu Hause. Sie hat am Theater gearbeitet und Solist:innen und Orchester aus dem Ausland im deutschsprachigen Raum bekannt gemacht. Doch seit gut einem Jahr ist ihr Geschäft pandemiebedingt stark eingebrochen. Innerhalb kürzester Zeit hat die Agenturchefin ihr Angebot erweitert und bringt nun die Equal-Pay-Day-Kampagne in Deutschland voran. Denn Chancengleichheit ist der Mutter zweier Kinder eine Herzensangelegenheit.

 

Wenn Bildungswissenschaftler vom lebenslangen Lernen und der flexiblen Anpassung an sich wandelnde Rahmenbedingungen sprechen, könnten sie Jantje Röller als Role Model vor Augen haben. Die promovierte Kulturwissenschaftlerin hat schon häufig ihre Agilität unter Beweis gestellt. Brechen Aufträge weg oder bleiben bewilligte Mittel aus, verschwendet sie keine Zeit mit Hadern, sondern macht aus der Not eine Tugend und sucht nach einem anderen Weg. So wie zu Beginn der Coronapandemie: Weil ihre PR-Beratung für klassische Musik – Amphitryon Media – von einem Tag auf den anderen viel weniger zu tun hatte, bewarb sich für die Kampagnenleitung des „Equal Pay Day“ (EPD) in Deutschland. Und überzeugte: Seit einem knappen Jahr lenkt Jantje Röller nun schon die Aufmerksamkeit auf den 10. März, den offiziellen EPD, also den Tag, der die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern markiert. Da Frauen im Schnitt 18 Prozent weniger verdienen als Männer, arbeiten sie rein rechnerisch vom 1. Januar bis zum 10. März ohne Bezahlung. „Die Aufgabe hat mich gereizt, weil ich darauf aufmerksam machen möchte, dass wir diese Ungleichheit nicht einfach so hinnehmen sollten“, sagt Röller.

Der Equal Pay Day ist vom Frauenverband BPW (Business and Professional Women) initiiert und wird vom BMFSFJ, dem Bundesfamilienministerium, unterstützt. Als ehemalige Working Moms-Vorständin – Jantje Röller stand dem Berliner Verein dreieinhalb Jahre vor – ist sie in der Hauptstadtszene gut vernetzt. Sie war eine der Engagierten, die die Working Moms bei der „Berliner Erklärung“ vertrat, einem Bündnis der führenden deutschen Frauenverbände und Parlamentarierinnen, die die Frauenquote in Aufsichtsräten forderten. „Damals bin ich zu jedem Netzwerktreffen und zu jeder Veranstaltung gegangen, damit wir als Working Moms dort sichtbar sind“, sagt sie. Folglich ist es kein Zufall, dass ihr voriges Jahr die Kampagnenleitung übertragen wurde – sondern auch das Ergebnis jahrelanger Netzwerkarbeit.

„Jantjes Beispiel zeigt, dass sich ehrenamtlicher Einsatz auszahlt“, betont Clara Gruitrooy, die heute die Arbeitsgruppe Politik im Verband leitet und zugleich Berliner Vorständin der Working Moms ist. „Zu Jantjes Stärken gehört es, dass sie unheimlich facettenreich ist.“ Während sie früher am Theater arbeitete, war sie später für Konzertdirektionen und Künstler-PR-Beratungen tätig, bevor sie Europa-Chefin einer britischen Agentur wurde. Vor gut fünfeinhalb Jahren hat sie mit Amphitryon Media ihre eigene Agentur gegründet. Und seit einem Jahr ist sie zudem Dozentin an der Privathochschule Macromedia.

„Bei den Working Moms habe ich gelernt, meine Kompetenzen und mein Portfolio anders zu ‚framen‘“, beschreibt Jantje Röller es. Für sie bedeutet das, ihre Fähigkeiten für neue Tätigkeitsfelder anzupassen und verschiedenste Inhalte zu vermitteln. In den Augen der Agenturchefin ist es genau das, was Working Moms ausmacht: Frauen, die einen anspruchsvollen Job haben und zugleich Kinder großziehen, fänden zwangsläufig pragmatische Lösungen. „Working Moms sind verlässlich, einsatzfreudig, gehen positiv an Aufgaben heran und sind dabei lösungsorientiert.“

Mit diesem Selbstverständnis will sie auch die Equal-Pay-Day-Kampagne vorantreiben: „Der Aktionstag ist eine sehr starke Marke“, betont sie. Diese Bekanntheit will sie ausnutzen, um die Initiative weiter zu modernisieren, um so auch die Aufmerksamkeit neuer Zielgruppen auf das Thema zu lenken. Beispielsweise hat die PR-Agentur Fischer-Appelt pro bono eine Social-Media-Kampagne entworfen, die das Thema mit der notwendigen Ernsthaftigkeit aufgreift, ohne Grabenkämpfe anzustacheln. „Ich möchte Sensibilität für die Ungleichheit herstellen, allerdings ohne zu skandalieren.“ Mehr Miteinander als Gegeneinander, nicht Frauen gegen Männer, sondern Kooperation statt Konfrontation.

Sie selbst lebt nach eigenen Worten eine gleichberechtigte Partnerschaft, in der sich mal der eine, mal der andere mehr für die Familie einsetzt – während beide beruflich engagiert sind. Ihr Sohn ist inzwischen aus dem Haus und ihre Tochter im Teenager-Alter. Wie so häufig bei zwei berufstätigen Eltern hat das Paar auf frühe Selbstständigkeit der Kinder gesetzt. Weil er am Theater arbeitet und abends selten zu Hause ist, hat die Tochter schon in jungen Jahren wochentags bei Freund:innen übernachtet, damit auch Jantje abends ihren Arbeitsverpflichtungen nachgehen konnte. Die Augenhöhe zwischen beiden Partnern scheint sich auch aktuell auszuzahlen: Weil ihr Mann Corona bedingt nichts zu tun hat, verbringt er viel Zeit zu Hause, kümmert sich um den Haushalt und das Homeschooling der Tochter, während Jantje für das Familieneinkommen sorgt. „Mir gefällt die Aufteilung so. Zumal mein Mann Hausarbeit auch lieber macht“, sagt Jantje lachend. Neben der Equal-Pay-Day-Kampagne kümmert sie sich auch weiter um ihre Kund:innen aus der Kulturszene, die sich beispielsweise mit eigenen Streaming-Angeboten zurückmelden. Ausreichend Arbeit, um damit auch ihre – durchweg freiberuflichen – Mitarbeiter:innen auszulasten, ist das allerdings nicht.

Ihre Netzwerkkollegin – und Freundin – Clara Gruitrooy beobachtet interessiert Jantjes berufliche Laufbahn: „Ich bin sehr gespannt, wie es bei ihr weitergehen wird“, sagt sie. „Agenturerfahrung, Hochschule, Ehrenamt und jetzt die Kampagne: Durch ihr breites Spektrum ist Jantje toll aufgestellt.“ Oder anders gesagt: Das lebenslange Lernen geht weiter.

Stefanie Bilen, Co-Gründerin der Working Moms Hamburg, im März 2021 („Mut zu Kindern und Karriere – 40 Working Moms erzählen, wie es funktionieren kann“, Frankfurter Allgemeine Buch 2016)